Bundesverwaltungsgericht entscheidet: Sperranordnungen gegenüber Internet-Providern verstoßen gegen geltendes Recht.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 19.03.2025 entschieden, dass Internet-Diensteanbieter nicht für glücksspielrechtliche Sperren herangezogen werden können. Die Sperranordnungen der GGL gemäß § 9 GlüStV 2021 haben keine rechtliche Grundlage im früheren Telemediengesetz oder dessen Nachfolgeregelungen. Die GGL sieht keine akuten Auswirkungen des Urteils auf ihre derzeitigen Vollzugsmaßnahmen.
Internet-Provider per Gesetz nicht für übermittelte Inhalte haftbar
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat endgültig entschieden, dass Internet-Provider nicht für die von ihnen weitergeleiteten Inhalte haftbar gemacht werden können. Ausgangspunkt war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen einer Telekommunikationsdienstleisterin und der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder.
Die GGL hatte im Oktober 2022 eine Sperranordnung gegen die Klägerin verhängt, die sich vor dem Verwaltungsgericht Koblenz dagegen wehrte. Das VG Koblenz urteilte am 10.05.2025, dass die Anordnung nicht rechtmäßig sei.
Die GGL legte daraufhin Berufung ein, doch das Oberverwaltungsgericht entschied am 22.04.2024, dass Sperranordnungen nur auf Provider angewandt werden können, die nach § 8 Telemediengesetz als verantwortlich gelten.
Der GlüStV sieht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 vor, dass die GGL „Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes verantwortliche Diensteanbieter [...] ergreifen” kann.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte jedoch fest, dass diese Regelung nicht auf Access-Provider zutrifft. In der Pressemitteilung vom Freitag heißt es, dass die Klausel „in keinem tatsächlich denkbaren Anwendungsfall gegen Internet-Dienstleister (Access-Provider) angewendet werden” könne.
Aktuell keine rechtliche Grundlage für Sperrmaßnahmen
Alle drei Gerichte kamen zu dem Ergebnis, dass die im Glücksspielstaatsvertrag 2021 verankerten Regelungen des inzwischen aufgehobenen Telemediengesetzes (TMG) keine Rechtsgrundlage für Sperranordnungen durch die GGL darstellen. Das TMG, das am 13. Mai 2024 außer Kraft trat, bot für solche Maßnahmen keine Handhabe.
Gemäß § 8 TMG waren Anbieter digitaler Dienste nicht für fremde Inhalte verantwortlich, solange sie nicht aktiv in den Übertragungsprozess eingriffen, Inhalte auswählten oder den Empfängerkreis bestimmten. Das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), das seit dem 06.05.2024 in Kraft ist, enthält ebenfalls keine Bestimmungen, die eine solche Sperrverpflichtung rechtfertigen würden.
Nach § 7 DDG dürfen „Diensteanbieter, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen”, „von einer Behörde nicht verpflichtet werden”, „das Anbieten des Dienstes dauerhaft einzustellen.” Sperranordnungen sind lediglich in Fällen von Urheberrechtsverletzungen gemäß § 8 DDG zulässig.
Diese Regelung spiegelt sich auch auf europäischer Ebene wider. Der Digital Services Act (DSA), der am 16.11.2022 EU-weit in Kraft trat, bestätigt in Kapitel 2, Artikel 4, dass Internet-Provider nicht für die durch sie transportierten Inhalte haftbar sind.
Die Verantwortung bleibt bei denjenigen, die die Inhalte tatsächlich bereitstellen oder verändern. Solange ein Provider nicht aktiv entscheidet, welche Informationen übermittelt werden, an wen diese gesendet werden oder inhaltliche Änderungen daran vornimmt, ist er rechtlich nicht zur Sperrung verpflichtet.
GGL: Urteil hat keine praktischen Auswirkungen
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) stellte in ihrer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung klar, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keine Auswirkungen auf laufende Blocking-Maßnahmen habe. Bereits nach der ersten gerichtlichen Niederlage im Jahr 2022 habe die Behörde entschieden, keine Netzsperren über Internet-Provider mehr zu veranlassen.
Stattdessen seien alternative Maßnahmen gegen Hosting-Provider verstärkt worden. Laut GGL habe dieser Ansatz bereits dazu geführt, dass zahlreiche illegale Glücksspielseiten nicht mehr abrufbar seien. Die Behörde werde diesen Weg weiter beschreiten, da die Entscheidung des BVerwG an ihrer aktuellen Strategie nichts ändere.
Zudem unterstrich die GGL, dass Anpassungen der rechtlichen Grundlagen bereits in Vorbereitung seien, um Netzsperren in Zukunft möglicherweise doch noch als wirksames Mittel nutzen zu können. Die Pressemitteilung der Behörde führt hierzu aus:
„Eine Anpassung der Norm außerhalb der turnusmäßigen Evaluierung wird insbesondere mit Blick auf die Verantwortlichkeitsfrage geprüft und voraussichtlich zeitnah umgesetzt. Die Vorbereitungen hierfür im Länderkreis haben bereits vor der Entscheidung des BVerwG begonnen und sind weit fortgeschritten.“
Quellen: Bundesverwaltungsgericht, Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder, Telemediengesetz, Digitale-Dienste-Gesetz, Digital Services Act
Bildquelle: BVerfG Bild- und Informationsmaterial