Italien und Litauen stehen exemplarisch für die Frage: Sind Glücksspiel-Werbeverbote mit dem EU-Recht vereinbar?
Werbung für legales Glücksspiel ist in vielen Staaten der Europäischen Union entweder untersagt, nur eingeschränkt erlaubt oder durch strenge Regelungen reglementiert. Ob solche Werbeverbote mit geltendem EU-Recht vereinbar sind, überprüft der Europäische Gerichtshof (EuGH) derzeit in mehreren Verfahren. Nach dem Urteil zum litauischen Werberecht vom März dürfte insbesondere das noch ausstehende Urteil zum italienischen Verbot besondere Bedeutung erlangen.
EU-Rechtskonformität des italienischen Glücksspiel-Werbeverbots?
Mit dem Decreto Dignità, das am 12. Juli 2018 in Kraft trat, untersagte Italien jede Art der Werbung für Glücksspiele. Seither gab es immer wieder rechtliche Auseinandersetzungen, darunter zahlreiche Klagen und Berufungen, die zu komplexen Gerichtsverfahren führten.
Nun hat sich die sechste Kammer des Consiglio di Stato, dem höchsten Verwaltungsgericht Italiens, an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewendet, um zentrale Auslegungsfragen zum Unionsrecht zu klären.
Wie aus einer offiziellen Pressemitteilung des Gerichts vom 31. März 2025 hervorgeht, betrifft der Fall einen Streit zwischen der italienischen Regulierungsbehörde AGCOM und einem maltesischen Online-Glücksspielunternehmen mit italienischer Lizenz.
Die Behörde hatte wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Werbeverbot eine Sanktion verhängt, die von dem Anbieter angefochten wurde.
Die Berufungsklägerin stützte sich auf die EU-Richtlinie 2015/1535, die vorsieht, dass alle Mitgliedstaaten geplante technische Regelungen vor ihrem Inkrafttreten der EU-Kommission mitteilen müssen. Diese Anforderung soll gewährleisten, dass der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen nicht durch nationale Alleingänge behindert wird.
Aus diesem Grund ersucht das höchste italienische Verwaltungsgericht den EuGH um Auslegung, ob nationale Verbote von Glücksspielwerbung als notifizierungspflichtige „technische Vorschriften“ einzustufen sind.
Grundsätze der Loyalität und Verhältnismäßigkeit
Ein weiterer Punkt, der dem EuGH vorgelegt wurde, betrifft die Frage, ob umfassende Werbeverbote für Glücksspiel grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Im Zentrum stehen hierbei Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta sowie die Prinzipien der loyalen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Der Consiglio di Stato geht in seinem Vorlagebeschluss – unter Bezugnahme auf bisherige Rechtsprechung des EuGH – davon aus, dass das italienische Verbot eine legitime Maßnahme zum Schutz des Allgemeinwohls sei, insbesondere mit Blick auf gefährdete Gruppen und die Prävention von Spielsucht.
EuGH stärkt Glücksspielanbieterin in Litauen
Zur Frage, wann nationale Vorschriften über Glücksspielwerbung der Europäischen Kommission vorab gemeldet werden müssen, hat der EuGH bereits mehrfach geurteilt. Am 13. März 2025 fällte der Gerichtshof ein weiteres Urteil – diesmal im Kontext eines Falls aus Litauen, in dem eine Glücksspielbetreiberin erfolgreich gegen eine Sanktion vorging.
Die litauische Glücksspielaufsicht, die dem dortigen Finanzministerium untersteht, hatte ein Bußgeld in Höhe von 12.662 Euro gegen die Anbieterin verhängt.
Grundlage war die Annahme, dass Inhalte auf der Unternehmenswebsite potenzielle Kundinnen und Kunden zum Spielen verleiten könnten. Die Behörde wertete dies als unzulässige Werbung und damit als Gesetzesverstoß.
Nach dem erfolglosen Versuch, das Bußgeld vor dem erstinstanzlichen Gericht aufheben zu lassen, wandte sich das betroffene Unternehmen an das höchste Verwaltungsgericht Litauens. Dieses legte dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor – insbesondere zur Gültigkeit des geltenden Werbeverbots.
Zentrale Frage war erneut, ob es sich bei einem solchen Werbeverbot um eine technische Vorschrift handelt, die gemäß der Richtlinie 2015/1535 notifiziert werden muss. Der Europäische Gerichtshof bejahte dies in seinem Urteil und stellte klar, dass eine Meldepflicht bestand.
Da die litauischen Behörden dieser Pflicht nicht nachgekommen seien, sei das Werbeverbot nicht anwendbar und könne gegenüber dem Anbieter nicht durchgesetzt werden.
Ein vergleichbares Ergebnis ist nun auch im Fall Italien denkbar. Sollte der EuGH die Maßnahme dort ebenfalls für nichtig erklären, wäre das landesweite Werbeverbot hinfällig. Bereits jetzt wird an einer Überarbeitung des Decreto Dignità gearbeitet – allerdings unter politischen Spannungen.
Quellen: Consiglio di Stato (Staatsrat), EuGH, Pagella Politica
Bildquelle: Gerichtshof der Europäischen Union